Aktueller Stand der Komposit-Dentinhaftung
(aus zm Nr.18, - 16.September 1992)
 
Hinweis:
Der folgende Text war mit dem Stempel der Zahnklinik versehen. Trotzdem keine Gewähr für Tipp und Druckfehler. 
Außerdem ist der Text um Autorenhinweise sowie unleserliche Tabellen und Fotos gekürzt. 
Richard Gocht
von B. Haller
OA Dr. Bernd Haller
1958 geboren in Trossingen /Württ.
1977 — 1982 Studium der Zahnmedizin,
1983 Promotion,
1983 — 1987 Assistent in der Abteilung Poliklinik für Zahnerhaltung (Direktor: Prof. Dr. Dr. W. Götze),
ZMK-Klinik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.. seit 1987 OA in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie (Direktor: Prof. Dr. B. Klaiber). ZMK-Klinik der Universität Würzburg. Arbeitsgebiete: Adhäsive Restaurationstech-niken. Korr.posit-Dentinhaftung. Seitenzahnversorgung mit Komposit, Glasionomerzement
Einleitung

Eine unmittelbare Folge der Polymerisationskontraktion der Komposite von ca. 1,2-5,7 Volumen-% ist die Ablösung des Füllungsmateriales von der Kavitätenwand. Das dadurch mögliche Eindringen von Bakterien, bakteriellen Stoffwechselprodukten und Speichel sowie die Einlagerung von Pigmenten kann zu postrestaurativen Sensibilität, Pulpairritationen, Füllungsverlusten Randverfärbung und Sekundarkaries führen. Eine Verschlechterung der Randadaptation kann auch durch das unterschiedliche Wärmeausdehnungverhalten von Zahnsubstanz und Komposit hervorgerufen werden.

Zahlreiche In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen haben gezeigt, daß die Spaltbildung im Schmelz durch Anschrägung der Schmelzränder, Ätzung mit 35-40 % Phosphorsäure und Vorstrich mit einem niedrigviskösen Bonding-Kunststoff (kurz: Bonding) verhindert werden kann. Bei der Ätzung mit Phosphorsäure entsteht wegen der unterschiedlichen Säurelöslichkeit von Zentrum und Peripherie der Schmelzprismen ein retentives Ätzmuster mit einer Rauhtiefe von 10-30 µm. Durch Penetration des Bonding in diese Rauhigkeiten bilden sich retentive Kunststoff-Zotten ('Tags'), über die das Komposit mit einer Festigkeit von bis zu 20 MPa mikromechanisch am Zahnschmelz haftet. Was aber, wenn der Füllungsrand ganz oder teilweise apikal der Schmelz-Zementgrenze, also nicht mehr im Schmelz, sondern im Wurzeldentin liegt?

Während die Probleme der Komposithaftung am Schmelz durch die Ätztechnik weitgehend gelöst sind, wirft der Komposit-Dentinverbund aufgrund der strukturellen Besonderheiten des Dentins zahlreiche Probleme auf. Dentin und Schmelz unterscheiden sich in Zusammensetzung und Struktur erheblich voneinander. Dentin enthält 33 Volumen-% organische Bestandteile, hauptsächlich Kollagen, und 22 % Wasser (Schmelz: 2 bzw. 12 %). Die mineralischen Bestandteile machen rund 45 % des Dentinvolumens aus. Beim Schmelz sind es 86%. Das Dentin wird von der Pulpaperipherie bis zur Schmelz-Dentingrenze S-förmig von Dentinkanälchen (Tubuli) durchzogen, die den Dentinliquor und die Odontoblastenfortsätze beinhalten. Die Bearbeitung mit zahnärztlichen Präparationsinstrumenten hinterläßt eine ca. l-5 nm dicke Schmierschicht ('Smearlayer') aus Hydroxylapatit- und Kollagentrümmern, deren Verbindung mit dem strukturell unveränderten Dentin noch weitgehend ungeklärt ist. Die Verpfropfung der angeschnittenen Tubuli mit verschmiertem Dentin bewirkt eine Herabsetzung der Dentinpermeabilität, sie verzögert damit sowohl das Eindringen von Bakterien als auch den Austritt von Dentinliquor. Andererseits kann die Schmierschicht Bakterien enthalten, darüber hinaus kann sie die Adaptation von Füllungsmaterialien an die Kavitätenwand erschweren. Es hat sich gezeigt, daß die Art der Schmierschichtbehandlung bei der Komposit-Dentinhaftung eine zentrale Rolle spielt.

Konventionelle Dentinhaftmittel

Als konventionelle Dentinhaftmittel werden Präparate wie z.B. Bondlite, Johnson & Johnson Dentin Bonding Agent, Prisma Universalbond und Scotchbond DC bzw. LC bezeichnet, die als kombinierte Schmelz- und Dentinhaftvermittler eingesetzt werden. Es handelt sich dabei um (Chloro-) Phosphatester von Methacrylaten, deren Dentinhaftung meist auf eine bislang nicht nachgewiesene lonenbindung mit den Calciumionen des Hydroxylapatites zurückgeführt wird. Die initiale Dentinhaftung konventioneller Methacrylat-Phosphatester von ca. 2-5 MPa nimmt aufgrund der Hydrolyseanfälligkeit der Esterbindung im Laufe der Zeit stark ab. Zu den konventionellen Dentinhaftmitteln zählt auch das Präparat Dentin Adhesit, dessen Isocyanat-Gruppen kovalente Bindungen mit dem Dentinkollagen eingehen sollen: seine Wirksamkeit hat sich ebenfalls als unzureichend erwiesen.

Vorbehandlung des Dentins:

Konditionierung und Priming

Im Gegensatz zu den erwähnten konventionellen Dentinhaftmitteln wird das Dentin bei den meisten neueren Präparaten mit einem Primer vorbehandelt. In einigen Fällen wird vor der Applikation des Primers zusätzlich eine Konditionierung durchgeführt.

Als Primer werden in Wasser, Ethanol oder Aceton gelöste Monomere oder Monomergemische bezeichnet, die nach Verdunsten des Lösungsmittels auf dem Dentin zurückbleiben und unmittelbar an der Komposit-Dentinhaftung beteiligt sind. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Benetzbarkeit des hydrophilen Dentins mit dem hydrophoben Komposit zu verbessern (Abb.2).
 
Abb.2 Dentinprimer sind Lösungen hydrophiler Monomere in Wasser oder organischen Lösungsmitteln. Ziel der Primerbehandlung ist eine bessere Benetzung des hydrophilen Dentins mit dem hydrophoben Bonding bzw. Komposit.Der Zusatz von Maleinsäure bewirkt die Auflösung der Schmierschicht, Glutaraldehyd dient zur Kollagenfixierung und zur Hemmung des Bakterienwachstums. 

Es lassen sich funktionelle und nicht-funktionelle Monomere unterscheiden. Funktionelle Monomere enthalten außer einem polmerisierbaren Methacrylatrest noch andere Reaktive Gruppen, z.B. Phosphat oder Maleinatgruppen, mit denen sie Hydroxylapatit auflösen können.

Nicht-funktionelle Monomere wie z.B. HEMA und TEGDMA besitzen keine derartigen Gruppen: sie zeichnen sich vor allem durch eine niedrige Viskosität und gute Benetzungseigenschaften aus. Einige Primer enthalten nicht-monomere Bestandteile wie Maleinsäure (z. B. A.R.T. Bond, Scotchbond 2, Syntac) oder Glutaraldehyd (z. B. Gluma, Syntac). Maleinsäure bewirkt eine Auflösung von Hydroxylapatit durch Komplexbildung mit Calcium. Die Bedeutung von Glutaraldehyd könnte in einer Stabilisierung der Kollagenmatrix durch Proteinfixierung, einer Hemmung des Bakterienwachstums (Cox et al. 1988, Feiton et al. 1989) oder einer Katalyse der HEMA-Polymerisation liegen. Als Konditionierung wird die Behandlung des Dentins mit säurehaltigen Lösungen oder Komplexbildnern bezeichnet, ihr Ziel ist die vollständige Auflösung der Schmierschicht. Im Unterschied zum Priming werden die gelösten mineralischen und organischen Schmierschichtbestandteile bei der Konditionierung mit Wasserspray entfernt. Handelsübliche Konditionierungsmittel (Cleaner Cleanser, Conditioner) enthalten als wirksame Bestandteile 5-16 % EDTA (z.B. Denthesive. Gluma), 10-40 % Phosphorsäure (z. B. All Bond. Clearfil Photo Bond) 2,5-4 % Salpetersäure (z. B. Mirage Bond, Tenure) oder 10 % Zitronensäure (z.B. Superbond).

Die eigentliche Verbindung zwischen dem vorbehandelten Dentin und dem geätzten Schmelz einerseits und dem Komposit andererseits wird durch einen Haftvermittler (Adhäsiv, Adhesive, Bond) hergestelt. Diese gleichzeitig als Haftvermittler zum geätzten Schmelz dienenden Bondings bestehen hauptsächlich aus nichtfunktionellen (Di-) Methacrylaten, hauptsächlich Bis-GMA. TEGDMA, UEDMA und HEMA.

Chemischer Verbund oder mikromechanische Verankerung?

Primär chemische Verbundmechanismen wie z. B. lonenbindungen zum Hydroxylapatit oder kovalente Bindungen zum Kollagen werden aufgrund chemischer Oberflächenanalysen des Dentins nach Konditionierung und Priming immer mehr in Frage gestellt. Elektronenoptische Befunde deuten vielmehr darauf hin, daß die Wirksamkeit moderner Dentinhaftmittel hauptsächlich auf einer mikromechanischen Verankerung des Komposites durch Penetration hydrophiler Primermonomere ins Dentin beruht. Da die Monomerpenetration durch Entfernung der Schmierschicht bzw. durch die apatitauflösende Wirkung einzelner Primerbestandteile (z. B. Maleinsäure) gefördert wird, können die zugrundeliegenden Verbundmechanismen als "chemo-mikromechanisch" bezeichnet werden. Auf der Grundlage chemischer und morphologischer Oberflächenanalysen lassen sich prinzipiell zwei Arten der chemo-mikromechanischen Dentinhaftung unterscheiden:

  1. Dentinhaftung durch Erhaltung und Einbeziehung der Schmierschicht (Prisma Universalbond 3, XR Bonding),
  2. Dentinhaftung durch Auflösung der Schmierschicht:
  1. Vollständige Schmierschichtentfernung durch Konditionierung, z. B. mit EDTA (Denthesive, Gluma),
  2. Wiederausfällung der gelösten Schmierschichtbestandteile bei Verwendung Maleinsäure-haltiger Primer (A.R.T. Bond, Scotchbond 2, Syntac)
Dentin nach Präparation mit 
rotierenden Instrumenten
A
Erhaltung der Schmierschicht
z.B. 
Prisma Universalbond 3, 
XR Bonding
B1
Konditionierung:
Entfernung der Schmierschicht
Priming: 
Monomerinfiltration in Tubuli und
Kollagen.
z.B. Denthesive, Gluma
B2
Primer mit Maleinsäure:
Auflösung der Schmierschicht 
= Eröffnung der Tubuli
Kollagenfreilegung
gleichzeitig Monomerinfiltration in 
Tubuli und Kollagen
z.B. A.R.T Bond, Scotchbond 2,
Syntac
Abb.3: Klassifikation der Komposit-Dentin-Verbundmechanismen nach Art der Schmierschicht-
behandlung.
A: Dentinhaftung durch Erhalt und Verstärkung der Schmierschicht. 
B: Dentinhaftung durch Auflösung der Schmierschicht. 
Bei Konditionierung mit EDTA-Lösungen werden die gelösten Schmierschichtbestandteile mit
Wasserspray entfernt (B1), bei Verwendung Maleinsäurehaltiger Primer werden sie nach 
Verdunsten des Lösungsmittels teilweise wieder ausgefällt. (B2)

Erhaltung und Einbeziehung der Schmierschicht
 
Abb. 5: 
Dentinhaftung Bei Erhaltung der Schmierscnicht. Die Dentinnaftung kommt dadurch zustande, daß einerseits die Schmierschicht mit dem strukturierten Dentin verbunden ist und andererseits das Bonding bzw. Komposit mit um in die Schmierschicht eingesickerten Monomeren copolymerisiert.

Wie im REM zu erkennen, bleibt die Schmierschicht bei Behandlung mit Prisma Dentin Primer und XR Primer weitgehend erhalten. Die hydrophilen Monomere sickern in die Schmierschicht ein und fördern dadurch die Benetzung mit dem hydrophoben Bonding. Die genannten Primer bewirken aufgrund ihrer Azidität (pH ca. 2,5) eine partielle Auflösung des mechanisch vorgeschädigten Hydroxylapatites. Durch das Eindringen der Monomere in die so entstandenen Mikrohohlräume kommt es zu einer "Verfilzung" oder "Verklettung" des Kunststoffes mit den Kollagenfasern in der Schmierschicht.

Dieses sogenannte Entanglement wird auch bei aziden konventionellen Dentinhartmitteln wie z. B. Scotchbond LC als alternativer Verbundmechanismus zu der weit verbreiteten lonenbindungstheorie diskutiert. Die höhere Verbundfestigkeit von Prisma Universalbond 3 und XR Bonding im Vergleich zu konventionellen Dentinhaftmitteln beruht auf einer Verbesserung des Penetrationsvermögens durch Verkürzung der Molekülkettenlänge. Herabsetzung der Viskosität und Optimierung der hydrophilen Eigenschaften. Die Eigenfestigkeit der kunststoffverstärkten Schmierschicht, im REM als amorphe Schicht zwischen Komposit und Dentin zu erkennen, ist der limitierende Faktor für die Festigkeit des so erzielten Komposit-Dentinverbundes: bei Scherversuchen tritt das Versagen des Verbundes in der Regel innerhalb dieser Schicht auf.

Auflösung der Schmierschicht

Vollständige Entfernung der aufgelösten Schmierschicht
 
Abb. 6:
Dentinhaftung bei Auflösung bzw. Entfernung der Schmierschicht. Durch Monomerpenetralion in die eröffneten Dentinkanälchen entstehen retentive Kunststoff- Tags. Die Demineralisation des oberflächlichen Dentins führt zur Freilegung von Kollagenfasem. Bei Polymerisation der in das Kollagenfasergeflecht eingesickerten Monomere bildet sich eine Hybridschicht aus Kunststoff und Dentin.

Durch Dentinkonditionierung mit EDTA-Lösungen (z.B. Denthesive Cleaner, Gluma Cleanser) wird die Schmierschicht sowohl vom intertubulären Dentin als auch aus den angeschnittenen Dentinkanälchen entfernt. Die Auflösung von Hydroxylapatit führt zu einer ca. l µm tiefen Demineralisation des intertubulären Dentins und zur Freilegung von Kollagenfasern. Die anschließend applizierten Primer bzw. Bondings dringen in die eröffneten Dentinkanälchen ein und bilden bei der Polymerisation retentive Kunststoff-Tags. Gleichzeitig entsteht durch die Infiltration der Monomere in das freigelegte Kollagenfasergeflecht eine mit Kunststoff durchsetzte Dentinschicht, die als "Hybrid layer" bezeichnet wird. Ein weiterer möglicher Effekt der Kollagenfreilegung besteht in der Katalyse der HEMA-Polymerisation durch aktivierte Aminogruppen. Es gibt Hinweise darauf, daß die interrubuläre Kunststoff-Dentin-Hybridschicht stärker zur Komposit-Dentinhaftung beiträgt als die Kunststoff-Tags in den Tubuli. Letztere wurden auch bei Schmierschichtentfernung mit Phosphorsäure und Applikation eines konventionellen Dentinhaftmittels beooachtet. Sie bewirkten jedoch keine Erhöhung der Haftfestigkeit. Die Vorstellung, daß die Dentinhaftung von Glurna auf einer kovalenten Bindung von Glutaraldehyd/HEMA an die Aminogruppen des Kollagens beruht, gilt heute als überholt. Wahrscheinlich bewirkt das Gutaraldehyd eine Stabilisierung der demineralisierten Kollagenmatrix durch Proteinfixierung.

Die in Denthesive enthaltenen funktionellen Monomere (pH 1.8) sind Reaktionsprodukte aus HEMA und Phosphor- bzw. Maleinsäure. Diese als "Self etching primers" beschriebenen Verbindungen bewirken durch zusätzliche Mobilisierung von Calcium aus Hydroxylapatit zumindest stellenweise eine innige Verzahnung des Kunststoffes mit dem Dentin.

Wiederausfällung der gelösten Schmierschichtbestandteile

Im Gegensatz zur Konditionierung mit anschließendem Priming werden die Monomere bei Maleinsäure-haltigen Primern zusammen mit dem demineralisierenden Agens appliziert. Bei Maleinsäure-Konzentrationen von 2,5 Gew.-% (Scotchprep) bzw. 4 Gew.-% (Syntac Primer) werden nahezu alle Dentinkanälchen eröffnet, durch Infiltration der Primermonomere bilden sich Kunststoff-Tags. Die Demineralisation des intertubulären Dentins bewirkt ähnlich wie bei der Konditionierung mit EDTA eine Freilegung von Kollagenfasern, durch Monomerinfiltration entsteht ebenfalls eine Kunststoff-Dentin-Hybridschicht. Bei Anwendung schwächer konzentrierter Maleinsäure-Lösungen (A.R.T. Primer: 0,8 Gew.-%) erscheinen im REM zwar nur wenige Dentinkanälchen eröffnet, dennoch ist eine ausgeprägte Tag-Bildung zu beobachten. Demzufolge findet die Penetration der Monomere während der Applikation der Primer statt, wenn sich die Schmierschicht in Lösung befindet. Ein Teil der gelösten Schmierschichtbestandteile wird beim Trocknen der Kavität mit Druckluft zerstäubt, der andere Teil sickert zusammen mit dem Monomer in die Tubuli bzw. fällt nach Verdunsten des Lösungsmittels auf dem intertubulären Dentin aus. Die Bedeutung der wieder ausgefällten Bestandteile für die Festigkeit und Beständigkeit des Komposit-Dentinverbundes ist noch unbekannt. Während bei Syntac das im Primer enthaltene Monomer (TEGDMA) auf der Dentinoberfläche nachgewiesen werden kann, ist dies bei dem in Scotch-prep enthaltenen HEMA nicht der Fall. Möglicherweise wirkt sich die Belegung der Dentinoberfläche mit Primermonomeren günstig auf die hydrophobe Umstimmung des Dentins und die Benetzung mit dem Bonding aus.

Haftfestigkeit und Randschlußqualität

Die In-vitro-Haftfestigkeit moderner Dentinhaftmittel liegt bei herkömmlichen Zug-und Schersuchen um den Faktor 2—5 höher als die konventioneller Präparate, der Einfluß der Dentinätzung mit Phosphorsäure auf die Haftfestigkeit wird widersprüchlich beurteilt. An Hunde- und Ziegenzähnen wurde die Scherhaftfestigkeit von Gluma und Scotchbond 2 in vivo ermittelt; die Resultate zeigten mit 5,5-11,1 MPa eine gute Übereinstimmung mit den In-vitro-Messungen. Ein neues Verfahren zur Bestimmung der Komposit-Dentinhaftung stellt die Extrusion zylindrischer Kompositproben aus dem Dentin dar (Ausstoßversuch). An den Ausstoßproben kann außer der Haftfestigkeit auch die Randspaltbildung zwischen Komposit und Dentin ermittelt werden. Sehr hohe initiale Ausstoß-Haftfestigkeiten wurden mit Denthesive und Syntac erzielt. Bei Syntac war im REM ein nahtloser Übergang von Komposit und Dentin zu beobachten: sowohl Haftfestigkeit als auch Randadaptation erwiesen sich bei mehrmonatiger Wasserlagerung als relativ stabil.

Die Zusammenhänge zwischen der gemessenen Haftfestigkeit und der Randschlußqualität im Kavitätentest sind nach wie vor ungeklärt. Es wurde vermutet, daß bei Scherhaftfestigkeiten von mehr als 20 MPa keine Randspalten auftreten. Im Vergleich zu konventionellen Dentinhaftmitteln läßt sich mit neueren Adhäsivsystemen die Randspaltbildung in Klasse V-Kavitäten reduzieren, die Penetration von Farbstoff- bzw. Radioisotopenlösungen kann jedoch bei direkter Füllungstechnik weder in Klasse V- noch in Klasse II-Füllungen vollständig verhindert werden. Allerdings ist bis heute völlig unklar, bei welcher Länge und Breite der Randspalten bzw. bei welchem Grad der Farbstoffpenetration es zur Eindringung von Toxinen und Bakterien, d.h. zur Schädigung der Pulpa und zur Entstehung von Sekundärkaries kommt. Bereits die Eindringung von Wasser kann jedoch zur Schädigung des Komposit-Dentinverbundes durch Quellung, Auflockerung der Polymerstruktur und oxidative Depolymerisation führen. Derartige Degradationsprozesse dürften sich langfristig vor allem bei mechanisch belasteten Restaurationen

negativ bemerkbar machen, z. B. bei Klasse II-lnlays aus Komposit oder Keramik mit zervikalen Stufen im Dentin.

Einfluß der Polymerisationsschrumpfung

Die Polymerisationsschrumpfung des Komposites stellt nach wie vor das eigentliche Hauptproblem der Dentinhaftung dar, weil die dabei auftretenden Zugspannungen den Komposit-Dentinverbund belasten. Paradoxerweise können hohe Haftfestigkeiten eine Erhöhung der Zugspannungen bewirken, indem sie die freie Polymensationskontraktion des Komposites behindern. Selbst wenn die Verbundschicht den Schrumpfungskräften standhält, können diese im Extremfall die Festigkeit des Dentins bzw. des aushärtenden Komposites übersteigen. Die Schrumpfungsspannungen lassen sich auch durch schichtweise Polymerisation des Komposites nicht verhindern. Dagegen führt die Anwendung der Inlaytechnik zu einer deutlichen Verbesserung der Wirksamkeit von Dentinhaftmitteln in Klasse V-Kavitäten (Haller et al. 1990). Hierbei werden unterschnittfreie Klasse V-Kavitäten mit einem Trennmittel (z. B. Coltene Separator. Kulzer Insulating Gel) isoliert und mit Komposit gefüllt. Nach Lichthärtung des Komposites werden die Zahnhalsinlays aus den Kavitäten entnommen und im Lichtofen (z. B. Coltene D.I. 500) oder in kochendem Wasser vergütet. Nachvergütete Klasse V-Direktinlays ergeben beim Einsetzen mit einem dualhärtenden Komposit unter Verwendung eines modernen Dentinhaftmittels eine vollständige und belastungsresistente Randabdichtung im Dentin. Die Nachvergütung bewirkt eine Entspannung der Polymerketten, sie nimmt damit die bei Temperaturwechselbelastung zu erwartenden Formveränderungen des Komposites vorweg. Andere Untersuchungen haben jedoch ergeben. daß diese Ergebnisse nicht auf Klasse II-Restaurationen übertragen werden können. Bei adhäsiv befestigten Klasse II-lnlays aus Komposit bzw. Keramik läßt sich trotz Anwendung moderner Dentinhaftmittel keine perfekte Randadaptation erzielen. Das Ausmaß der Schrumpfungskräfte ist unter anderem vom Verhältnis der gebundenen und freien Kompositoberflächen (Configuration factor. C-Faktor) abhängig. Durch das Nachfließen des schrumpfenden Komposites von den freien Oberflächen wird der Anstieg der Spannungen im Komposit reduziert. Eine Zunahme der gebundenen Kompositflächen führt zur Erhöhung der Kontraktionsspannungen und damit zur Belastung des Komposit-Dentinverbundes. Trotz hoher Verbundfestigkeiten im Scher- bzw. Zugversuch läßt sich mit den meisten der heute verfügbaren Dentinhaftmittel keine absolut spaltfreie Kompositadaptation ans Dentin erzielen. Diese Beobachtung kann auf das unterschiedliche Verhältnis der gebundenen und ungebundenen Kompositflächen beim Scher- oder Zugversuch bzw. beim Kavitätentest zurückgeführt werden. Um den C-Faktor möglichst gering zu halten, sollten Klasse V-Kavitäten nach Möglichkeit nicht kastenförmig sondern keilförmig bzw. schüsselförmig flach gestaltet werden. Die Kompensation der Schrumpfungskräfte durch Polymer-Flow spielt bei chemisch härtenden Kompositen eine größere Rolle als bei lichthärtenden. Dies kann damit erklärt werden, daß der Gelpunkt, an dem die Polymerketten ihre Beweglichkeit verlieren, bei Lichthärtung viel früher erreicht wird als bei chemischer Härtung. Bei chemisch härtenden Kompositen entstehen durch Einmischung von Luft Poren, die eine Vergrößerung der freien Kompositflächen darstellen und ebenfalls zum Abbau der Schrumpfungsspannungen beitragen können (Davidson et al. 1991). Dementsprechend wurde beim Einsetzen von Klasse II-Kompositinlays mit einem chemisch härtenden Komposit eine bessere Randschlußqualität im Dentin erzielt als mit dualhärtenden bzw. ausschließlich lichthärtenden Materialien. Bei Photopolymerisaten sind Unterschiede im Ausgleich von Schrumpfungsspannungen vor allem auf Unterschiede im Elastizitätsmodul, im Füllstoffgehalt und in der linearen Polymerisationskontraktion zurückzuführen.

Biokompatibilität

Die Begriffe "Konditionierung" und "Priming" dürfen nicht darüber hinwegtäuschen daß es sich bei den meisten dafür verwendeten Präparaten um Ätzmittel handelt. In Anbetracht der weit verbreiten Säureanwendung auf dem Dentin, verbunden mit Eröffnung von Dentinkanälchen, Erhöhung der Dentinpermeabilität und Eindringen der Monomere in die Tubuli, stellt sich die Frage nach der Biokompatibilität dieser Dentinhaftmittel. In diesem Zusammenhang sollen die Toxizität der Ätzmittel, Monomere und sonstigen Primerbestandteile, die Erhöhung der Dentinpermeabilität sowie der Einfluß der Dentinhaftmittel auf die (postrestaurative) Dentinsensibilität erörtert werden.

Folgen der Dentinätzung

Während die Schmelzätzung heute den Stand der Technik repräsentiert, ist die Anwendung von Säure auf dem Dentin umstritten. Was die möglichen negativen Auswirkungen der Dentinätzung betrifft, so muß zwischen einer unmittelbar toxischen Wirkung der Säuren und den Folgen einer erhöhten Dentinpermeabilität unterschieden werden.

Sind Säuren pulpatoxisch?

Einige Untersuchungen kamen zu dem Schluß, daß die Dentinätzung mit Phosphorsäure eine Schädigung der Pulpa verursacht. Andere Autoren führen die beobachteten Pulpairritationen auf die zytotoxische Wirkung der zum Kavitätenverschluß verwendeten Zinkoxid-Eugenol-Zemente zurück, zumal die Diffusion zytotoxischer Zementbestandteile in die Pulpa durch die Schmierschichtentfernung begünstigt wird. In einer neueren Studie führte die Dentinätzung mit Phosphorsäure-Gel bei Kavitätenverschluss mittels Adhäsivtechnik und Komposit zu Pulpairritationen, deren Schweregrad mit dem Ausmaß der bakteriellen Besiedelung korreliert war. Dabei muß berücksichtigt werden, daß handelsübliche Phosphorsäure-Atzgels im Vergleich zum Dentinliquor stark hypertonisch sind. Bei Anwendung auf dem Dentin nehmen sie Flüssigkeit aus den Dentinkanälchen auf, was zur Verlagerung von Odontoblastenkernen in die Tubuli führen kann. Die Penetration der Säure selbst ist aufgrund der guten Pufferkapazität des Dentins nur schwach ausgeprägt. Alles in allem scheint die Toxizität der Säure eine geringere Rolle zu spielen als bis vor kurzem vermutet. Neueren Untersuchungen zufolge hat die Dentinkonditionierung mit Phosphorsäure bzw. die Anwendung Maleinsäure-haltiger Primer (Scotchprep, Syntac Primer) keine negativen Auswirkungen auf die Pulpa.

Erhöhung der Dentinpermeabilität

Die Herabsetzung der Dentinpermeabilität durch Verpfropfung der Tubuli mit verschmiertem Dentin wirkt sowohl dem Austritt von Dentinliquor als auch dem Eindringen von Bakterien und toxischen Substanzen entgegen. Die Entfernung der Schmierpfropfe durch Säuren führt aufgrund des hydrostatischen Pulpadruckes zu einer raschen Zunahme des Flüssigkeitsaustrittes aus den Dentinkanälchen. Auch die Dentinkonditionierung mit EDTA und Salpetersäure-Lösungen bzw. die Behandlung mit Maleinsäure-haltigen Primern bewirkt einen Anstieg der Dentinpermeabilität, die jedoch im Vergleich zur Ätzung mit Phosphorsäure eher mäßig ausfällt (Abb. 10).

Bei Imprägnierung der Schmierschicht mit Monomeren wurde eine Herabsetzung des Flüssigkeitsaustrittes beobachtet. Das Ausmaß der Permeabilitätserhöhung wird von folgenden Faktoren beeinflußt:

Art und Konzentration des Ätzmittels, abdichtende Wirkung der Primermonomere, Lage und Tiefe der Kavität, hydrostatischer Druck in der Pulpa (Entzündungsgrad, Lokalanästhesie), Sklerosierung der Tubuli und Tertiärdentinbildung.

Durch erhöhten Flüssigkeitsaustritt aus den Tubuli wird die Adaptation des hydrophoben Komposites an die Dentinoberfläche beeinträchtigt. In die dabei entstehenden flüssigkeitsgefüllten Spalträume zwischen Dentin und Restauration wird bei der Polymerisationsschrumpfung des Komposites zusätzlich Dentinliquor aspinert (iMordenvall 1978. Ciuccni e: al. 1991). Volumenänderungen dieser Spalträume durch thermische Expansion bzw. Kontraktion oder mechanische Belastung lösen rasche intratubuläre Flüssigkeitsbewegungen aus. Diese können selbst bei völlig randspaltfreien Restaurationen zur mechanischen Reizung von A-delta-Fasern und damit zur postrestaurativen Sensibilität führen.

Denkbar ist auch, daß der Ausstrom von Dentinliquor und die Befeuchtung des intertubulären Dentins eine Verdünnung der Primermonomere bewirkt. Dadurch kann sowohl die Monomerpenetration in die Tubuli als auch in das Kollagenfasergeflecht beeinträchtigt werden. Bei einigen Dentinhaftmitteln wurde eine Herabsetzung der Verbundfestigkeit bzw. eine gegensinnige Korrelation zwischen Dentinpermeabilität und Verbundfestigkeit beobachtet.

Bei fehlendem Verschluß der eröffneten Dentinkanälchen stellt die Randspaltbildung und die dadurch mögliche bakterielle Besiedelung der Kavität eine ernstzunehmende Gefahr für die Pulpa dar. Das Eindringen von Bakterien in die Tubuli kann jedoch durch Verlegung mit Kunststoff-Tags blockiert werden.

Einfluß auf die Dentinsensibilität

Nach Anwendung der Schmelz-Ätztechnik tritt gelegentlich eine postrestaurative Sensibilität auf, die von einer versehentlichen Dentinätzung mit Phosphorsäure herrührt. Bereits beim Abspülen des Ätzgels vom Schmelz kann es zur Säurekontamination des Dentins mit Eröffnung von Dentinkanälchen und Erhöhung der Dentinpermeabilität kommen. Die postrestaurative Sensibilität kann durch Anwendung eines geeigneten Dentinhaftmittels (z.B. Gluma, Syntac) im Anschluß an die Schmelzätzung (Abb. 11) verhindert werden. Bei 43 Zahnhalsfüllungen, die unter Verwendung von Superbond (4-META) gelegt wurden, trat trotz Dentinätzung mit 35% Phosphorsäure keine postrestaurative Sensibilität auf:

in allen Fällen von Zahnhalsüberempfindlichkeit wurde subjektiv eine Heilung erzielt. Die Behandlung überempfindlicher Zahnhälse mit Amalgambond, ebenfalls ein 4-META-Präparat, bewirkte das sofortige und dauerhafte Abklingen der Beschwerden. Bei Vollüberkronung führte die Behandlung der präparierten Zähne mit Gluma zur Herabsetzung der Empfindlichkeit auf Druckluft, Kälte, hyperosmotische Lösungen und Sondendruck. Die desensibilisierende Wirkung der Dentinprimer kann auf eine Blockierung der schmerzauslösenden intratubulären Flüssigkeitsverschiebungen durch Kunststoff-Tags zurückgeführt werden. Durch die Anwendung hydrophiler Primer wird darüber hinaus die Adaptation des hydrophoben Komposites an das Dentin verbessert und die Bildung flüssigkeitsgefüllter Spalträume verringert.

Pulpaverträglichkeit der Dentinhaftmittel

Einige Dentinhaftmittel wie z. B. Gluma und Scotchbond 2 zeigten in der Fibroblastenkultur zytotoxische Effekte in Form einer Hemmung des Zellwachstums, der Mitochondrienaktivität sowie der DNA-und Proteinsynthese. Im Gegensatz dazu bescheinigen verschiedene pulpahistologische Studien sowohl handelsüblichen Dentinhaftmitteln wie Gluma, Prisma Universalbond 2, Scotchbond 2 und Syntac, als auch experimentellen Präparaten mit Schmierschichtentfernung eine gute Pulpaverträglichkeit. In den meisten Studien wurde eine enge Korrelation zwischen dem Schweregrad der Pulpareaktion und dem Ausmaß der bakteriellen Besiedelung der Kavität beobachtet. Dadurch werden frühere Arbeiten bestätigt, die gezeigt haben, daß Pulpaschädigungen weniger auf eine Toxizität der Restaurationsmaterialien als auf die bakterielle Besiedelung der Versuchskavitäten zurückzuführen sind. Dies unterstreicht die Forderung nach einem spaltfreien und bakteriendichten Kavitätenverschluß. Der antibakterielle Effekt von Gluma dürfte auf den Gehalt an Glutaraldehyd zurückzuführen sein.

Klinische Studien

Die meisten klinischen Studien zur Komposit-Dentinhaftung wurden an Klasse V-Füllungen durchgeführt; dokumentierte klinische Erfahrungen bei Klasse II-Restaurationen mit zervikalen Dentinrändern liegen nicht vor. Die klinische Beurteilung der Zahnhalsfüllungen nach 6,12, 24 und 36 Monaten Liegedauer erfolgt in der Regel anhand der USPHS (United States Public Health Service-)Kriterien: Retentions- bzw. Verlustrate, Farbe, Füllungsrandqualität, Randverfärbung, anatomische Form und postrestaurative Sensibilität. Sowohl bei konventionellen als auch bei neueren Dentinhaftmitteln führt die Anwendung der Ätztechnik am inzisalen Schmelz zu einer Erhöhung der Retentionsrate (Tabelle 3). Mit modernen Dentinhaftmitteln lassen sich über 2 Jahre Retentionsraten von 85-91 % erzielen. Es ist zu fragen, inwiefern die Feststellung, daß sich eine Restauration noch in situ befindet, ein geeignetes Qualitätskriterium darstellt. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Abformung des zervikalen Füllungsrandes beschäftigen sich nur wenige klinische Untersuchungen mit der quantitativen Erfassung von Randspalten. In einer 2-Jahres-Studie mit Superbond betrug die Retentionsrate von Klasse V-Füllungen über 2 Jahre ca. 98%; der Anteil an "perfektem Rand" betrug an den im REM nachuntersuchten Komposit-Dentinrändern jedoch nur 33%. In einer anderen In-vivo-Studie wurde der Randschluß im Dentin bei Vewendung von Gluma bzw. der Kombination Gluma/Scotchbond LC untersucht: als Kriterium diente die maximale Spaltbreite jedes Füllungsrandes. Nach einem Monat wiesen alle untersuchten Füllungsränder Spalten auf; die maximale Spaltbreite war bei Gluma (7,2 µm) größer als bei der Kombination von Gluma/Scotchbond LC (2,5 µm). Nach wie vor ist unbekannt, ab welcher Randspaltgröße es zur Schädigung der Pulpa bzw. zur Entstehung von Sekundärkaries kommt.

Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Die werkstoffkundlichen Fortschritte auf dem Gebiet der Dentinhaftung sind unübersehbar. Durch Verbesserung der Dentinbenetzung mit hydrophilen Primern und

konsequente Nutzung der chemo-mikro-mechanischen Retentionsmöglichkeiten lassen sich mit modernen Dentinhaftmitteln zum Teil sehr hohe initiale Haftfestigkeiten erzielen. Jedem noch so guten Komposit-Dentinverbund wirken jedoch die aus der Polymerisationsschrumpfung des Komposites resultierenden Zugspannungen entgegen. Ohne wirksame Kompensationsmechanismen wie z. B. Polymer-Flow, niedriger Elastizitätsmodul des Komposites, Flexibilität der Adhäsivschicht oder Herabsetzung der gebundenen Kompositflächen gegenüber den ungebundenen (C-Faktor) kommt es zu adhäsiven oder kohäsiven Randdefekten. Insgesamt erscheint die Komposit-Dentin-haftung am ehesten bei Klasse V-Restaurationen erfolgversprechend. Bei direkter Füllungstechnik kann die Situation durch flache Kavitätenformen (Herabsetzung des C-Faktors) und Verwendung von Kompositen mit geringerem Füllstoffgehalt (niedriger Elastizitätsmodul) verbessert werden. Chemisch härtende Komposite könnten zwar einen Teil der Schrumpfungskräfte durch Polymer-Flow ausgleichen, sie kommen jedoch wegen der Porosität der Oberfläche nicht in Betracht. Eine aufwendigere, im Einzelfall aber durchaus praktikable Alternative ist die Versorgung von Zahnhalsläsionen mit direkt hergestellten Kompositinlays. Bei Klasse II-Restaurationen sind die genannten Möglichkeiten zum Ausgleich der Kontraktionsspannungen stark eingeschränkt. Aus naheliegenden Gründen kommen weder modifizierte Kavitätenformen noch die Verwendung von Kompositen mit niedrigem Elastizitätsmodul in Betracht. Kurz- und mittelfristig bieten hier nur Inlays aus Komposit oder Keramik einen möglichen Ausweg. Unter der Voraussetzung, daß Trockenlegung und Überschußentfernung sicher beherrscht werden, könnten hochwirksame Dentinhaftmittel in Verbindung mit ausreichender Dimensionsstabilität der Inlays und langsamer Aushärtung des Befestigungskomposites, z. B. durch Verwendung chemisch härtender Materialien oder durch verzögertes Einsetzen der Lichthärtung im Falle dualhärtender Präparate, erfolgversprechend sein. Die Prävention postrestaurativer Beschwerden durch Anwendung geeigneter Dentinhaftmittel verdient verstärkte Aufmerksamkeit.

Die bisher erzielten Fortschritte geben Anlaß zu vorsichtigem Optimismus, sie gehen jedoch in der Regel auf Kosten einer immer komplizierteren, für Verarbeitungsfehler anfälligen und daher für die Praxis nur bedingt geeigneten Applikationstechnik. Da sich auf lange Sicht nur solche Restaurationstechniken etablieren werden, die sich einfach und mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit anwenden lassen, sollte eine Verringerung der notwendigen Arbeitsschritte, insbesondere eine gemeinsame Vorbehandlung von Schmelz und Dentin angestrebt werden. Zur Beantwortung der zahlreichen offenen Fragen besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an kontrollierten klinischen Untersuchungen.