Von Prof. Dr. Walter Lückerath, Bonn

Keramische Verblendung und Galvanoforming beim teleskopierenden Zahnersatz.

Abnehmbarer Zahnersatz unter Verwendung einer Doppelkronentechnik hat in Abhängigkeit vom Restzahnbestand und der parodontalen Wertigkeit ein breites Indikationsgebiet.

Dieses erstreckt sich von Versorgungen mit rein parodontaler Abstützung in der Form von abnehmbaren Brücken über Versorgungen mit parodontal-gingivaler Lagerung im reduzierten Restgebiß bis hin zu teleskopierend verankertem Zahnersatz mit Resilienzausgleich [1,2,5,7,8,9,10,11,13,14]

Eine exzellente ästhetische Wirkung des Zahnersatzes ist mittel- und langfristig wegen einer auffälligen Verkreidung und Plaqueanfälligkeit heutiger lichthärtender Kunststoff- bzw. Polyglass-Materialien nicht ohne Einschränkungen gegeben.

(Abb la, b)

Abb. 1a, b: Teleskopprothesen im stark reduzierten Restgebiß vor (a) und 6 Wochen nach dem Einsetzen (b) Neben der schlechten Mundhygiene ist die besonders starke Plaqueaffinität des lichthärtenden Verblendmaterials verantwortlich für den schlechten Zustand des Zahnersatzes. Besonders auffällig ist die deutlich bessere Plaqueresistenz der hochvernetzten Prothesenzähne (b)

Daher ergeben sich neben den bekannten Vorteilen der Doppelkronentechnik durch die Verwendung von übereinander liegenden Metallgerüsten und zusätzlich notwendigen Verblendungsmaterialien auch deutliche Nachteile (Tabelle 1 und 2)

Allgemeine Vorteile der Doppelkronen-Technik:

Besondere Vorteile der keramischen Verblendung:

Allgemeine Nachteile der Doppelkronen-Technik:

Besondere Nachteile der keramischen Verblendung:

Kunststoffverblendung oder Keramikverblendung ?

Zur Verblendung der sich im sichtbaren Bereich befindenden Areale werden seit vielen Jahren Kunststoffverblendungen klinisch eingesetzt.

Die Kunststoffverblendung ist daher als das Mittel der Wahl anzusehen [6]. Die Umstellung der Verblendmaterialien von Heiß- und Kaltpolymerisaten zu lichthärtenden Kunststoffen sowie die Neuentwicklung der sog. Polygläser hat sich u M. nach kurz- bis mittelfristig hinsichtlich der Farbkonstanz und Plaqueaffinität der Verblendungen nur sehr bedingt als vorteilhaft erwiesen.

Der Grund dafür liegt zum einen in der mangelnden Stabilität der für die Lichthärtung verantwortlichen chemischen Verbindungen, zum anderen aber auch darin, daß eine optimale Politur dieser neueren Kunststoffe zahntechnisch gesehen deutlich zeitaufwendiger ist.

Insbesondere seit der Einführung der Polygläser ist die Notwendigkeit zur Aufarbeitung von sich verfärbenden Verblendungen beim abnehmbaren Zahnersatz deutlich gestiegen [12].

In diesem Zusammenhang muß betont werden, daß "abnehmbarer'' Zahnersatz vor allem auch zur Zahnpflege "herauszunehmender" Zahnersatz bedeutet. Der vom Patienten täglich durchgeführte Prozeß der optischen Kontrolle des Zahnersatzes ist von dem Aspekt der Beurteilung des ,,Werterhaltes"' von Bedeutung und muß u.A.n. viel stärkere Berücksichtigung in der Planung und Wahl der zu verarbeitenden Materialien finden.

Verbesserung derÄsthetik

Mit den wachsenden Ansprüchen an die ästhetische Wirkung steigen die Bedürfnisse unserer Patienten. Dieses um so mehr, als gerade auch bei abnehmbarem Zahnersatz nicht auf perfekte Ästhetik verzichtet werden muß. Hier bietet die Kombination einer sorgfältigen Präparationstechnik, einer sinnvollen Weichgewebsformung und einer keramischen Verblendung des Sekundärgerüstes die Möglichkeit, die konventionellen Vorteile des teleskopierenden Zahnersatzes mit den Vorzügen einer ästhetisch anspruchsvollen Versorgung zu verbinden (Abb. 2a-f, Typischer Behandlungsablauf beim parodontal stark vorgeschädigten Zahnbestand.).

Detailansicht des keramisch verblendeten, teleskopierend-abnehmbaren Zahnersatzes (Oberkiefer). Ästhetisch befriedigende Lösung der Grenzproblematik.

 

Abb. 2a-f. Nach der PAR-Initialtherapie (a), Entfernung des vorhandenen Zahnersatzes zur Kontrolle der Erhaltungswürdigkeit und weiterer konservativer (b) und chirurgischer Parodontaltherapie (c).

Übergang Sekundärstruktur zur Gingiva (d). Seiten- und Okklusalansicht der Gesamtrehabilitation (e, f).

Der Einsatz von keramisch verblendeten Sekundärgerüsten erfordert von Seiten des Zahnarztes, des zahntechnischen Laboratoriums und des Patienten besondere Sorgfalt in der Herstellung und im späteren täglichen Gebrauch des Zahnersatzes.

Es liegt in der Natur der Sache, daß keramisch verblendete Sekundärgerüste vom Patienten mit besonderer Aufmerksamkeit getragen und gepflegt werden müssen. Hier ist eine genaue Aufklärung über die Art und Weise des Einsetzens und Herausnehmens aus dem Munde notwendig.

Forcierte einseitige Kraftanwendungen zur Lösung des abnehmbaren Zahnersatzes mit starken Scherbelastungen der empfindlichen Gerüstränder sind zu vermeiden.

Die Patienten sind in der Regel im mittleren bis fortgeschrittenen Alter, so daß der Übergang zur Mukosa oder zur Gingiva durch eine tiefe Lachlinie abgedeckt ist. Dieses erleichtert die rekonstruktive Behandlung der Patienten erheblich, da ein aufwendiges Weichgewebsmanagement nicht notwendig ist.

Schwieriger wird die Versorgung von Patienten mit abnehmbarem Zahnersatz, wenn keine festsitzend-abnehmbare Versorgung im Sinne eines ästhetisch einfach zu realisierenden anterioren Kronenblockes eingegliedert werden kann In dieser Situation werden alle Nachteile der teleskopierenden Versorgung, wie Platzproblematik durch die Doppelkronensituation, Übergang der Sekundärstruktur zur Gingiva, Pontikgestaltung, Gerüstdimensionierung negativ auffällig.

Bei der Präparation von Frontzähnen muß jede unnötige Verdickung der Primärgerüste vermieden werden, da diese unmittelbar zu ästhetischen Einbußen führt. Primäres Ziel der Präparation ist daher, neben der Reduktion der Zahnhartsubstanz zur Aufnahme der Primärgerüste, vor allem eine sofortige primäre Parallelität aller präparierten Pfeiler, um eine möglichst dünne Ausgestaltung des Innenkonus zu ermöglichen Sollten nach erfolgter Abformung und labortechnischer Vermessung Achskorrekturen nötig sein, können diese zeitsparend über laborgefertigte Präparationscopings definiert und zum Praxistermin - Einprobe der Primärgerüste - zur Korrektur mitgeliefert werden (Abb. 3a, b).

Präparationscopings zur genauen Definition der zu korrigierenden Zahnsubstanz.

 

Abb 3a,b: Eine primäre Parallelität der Pfeiler ist Voraussetzung für möglichst dünne Primärgerüste und damit eines akzeptablen Gesamtplatzbedarfes bei der Doppelkronentechnik.

Zur Schaffung einer ausreichenden Substanzreduktion ist eine ausgeprägte Hohlkehlpräparation wünschenswert. Damit ist es möglich, im besonders kritischen zervikalen Bereich zu einer schnellen Verbreiterung des zur Verfügung stehenden Raumes für die keramische Schichtung zu kommen.

Der Einprobe der Primärgerüste und der sich anschließenden Bestimmung der dreidimensionalen Unterkieferposition sowie der Überabformung zur Erstellung des definitiven Meistermodells ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Gerade Fehler bei der Positionierung der Innenkoni auf den Pfeilerzähnen sowie Fehler bei der Überabformung führen zu Diskrepanzen zwischen Modell- und Mundsituation.

Eine besonders sorgfältige Herstellung und Fräsung der Primär- und Sekundärstrukturen im zahntechnischen Laboratorium muß betont werden [9]. Wir verwenden eine zervikale 2° Konusfräsung mit graduellem Anstieg des Fräswinkels im mehr koronaren Anteil (Abb 4).

Neben einer besonderen Präzision ist die Auswahl geeigneter Metall/Keramik-Systeme im Hinblick auf die Kompatibilität der WAK (Wärmeausdehnungskoeffizienten) von entscheidender Bedeutung.

Im Gegensatz zu kunststoffverblendetem teleskopierenden Zahnersatz sind selbst kleinere Paßungenauigkeiten nicht zu tolerieren, da diese zu lokalen Spitzenbelastungen des Metallkeramikverbundes im Sekundärgerüst führen Damit ist mittelfristig ein Mißerfolg vorprogrammiert. Weiterhin ist eine vollkeramische Vollverblendung des Sekundärgerüstes einer nur vestibulär aufgebrachten Verblendung vorzuziehen.

Galvanoforming

Zur Lösung der Spannungsproblematik beim keramisch verblendeten teleskopierenden Zahnersatz kann das Verfahren des Galvanoformings angewandt werden. Versuche zur galvanischen Herstellung von Kronengerüsten sind schon vor 30 Jahren beschrieben worden [16].

Die Vorteile, insbesondere die gute ästhetische Wirkung von galvanisch geformten und keramisch verblendeten Einzelkronen sind ausführlich dargestellt [4]. Neu ist jedoch die Anwendung von Galvanogerüsten in der Teleskopprothetik [3]

Durch die intermediäre Silan-Einbindung einer 0,1- 0,15 mm dicken, reinen Feingold-Kappe (> 99 % Gold) zwischen Primär- und Sekundärgerüst können geringe Positionsunterschiede ausgeglichen und eine vorteilhafte Spannungsfreiheit erreicht werden.

(Abb. 5a-d Intermediäre Galvanokrone ( IGK) als Spannungsvermittler zwischen Primär- und Sekundärgerüst)

a) Detailansicht einer keramisch verblendeten Sekundärstruktur.

b) Im Bereich der Zähne 45 und 44 wurden die IGK bereits eingebunden. Zahn 43 zeigt die vorbereitete (silanisierte) Sekundärstruktur zurAufnahme der IGK

c) Okklusalansicht der keramisch verblendeten Teleskoparbeit im Sinne einer abnehmbaren Brücke auf den Zähnen 35-33 und 43-45.

d) Frontalansicht der Gesamtrehabilitation Der Oberkiefer wurde festsitzend-abnehmbar mit einem anterioren Kronenblock von 13-23 und einem Modellguß zum Ersatz der Seitenzähne, der Unterkiefer fakultativ abnehmbar als keramisch verblendete Teleskopbrücke versorgt.

Primärer Nachteil der intermediären Doppelkrone und einer keramischen Vollverblendung der Sekundärkonstruktion ist das erhöhte Gewicht der Gesamtkonstruktion.

Die Vollverblendung und ein aus Festigkeitsgründen stärker dimensioniertes Sekundärgerüst führen zu einer deutlichen Steigerung des Gesamtgewichtes (Abb. 6).

Der Gewichtsanteil der galvanisch geformten Intermediärgerüste ist dabei jedoch vergleichsweise zu vernachlässigen.

Bewährung von keramisch verblendeten Sekundärgerüsten

Für die Beratung und Aufklärung des Patienten ist bedeutsam, daß prinzipiell davon ausgegangen werden muß, daß der Vorteil der anspruchsvollen ästhetischen Gestaltung von keramisch verblendeten Doppelkronensystemen mit dem Nachteil eines erhöhten Reparaturrisikos der Verblendmetallkeramik einhergehen könnte.

Erste Ergebnisse einer Longitudinalstudie zur Verweildauer und Reparaturnotwendigkeit von keramisch verblendetem teleskopierenden Zahnersatz zeigen hinsichtlich der absoluten Schadenshäufigkeit an einzelnen Verblendungen eine Ereigniswahrscheinlichkeit von unter 2 %.

Die Ergebnisse in bezug auf eine tatsächlich notwendige Reparatur bzw. klinisch notwendige Ergänzung einer keramischen Verblendung stellen sich dabei noch günstiger dar [13].

Untersuchungen zur Reparaturnotwendigkeit von Kunststoffverblendungen bei Teleskoparbeiten zeigen eine Notwendigkeit zur Erneuerung mindestens einer Verblendung von rund 4 % im 5-Jahresvergleich [8, 15]. Da zu befürchten ist, daß möglicherweise mit zunehmender Tragedauer eine spannungsbedingte Desintegration der keramischen Verblendung häufiger auftritt, müssen die o. g. vorläufigen Ergebnisse jedoch mit Vorbehalt interpretiert werden.

Der Einsatz von intermediären Galvanokronen als ,,Streßbreaker'' sollte sich positiv auf die langfristige Bewährung des keramisch verblendeten Zahnersatzes auswirken.

Daher kann bei strenger Indikationsstellung, Patientenselektion und kompetenter zahntechnischerVerarbeitung keramisch verblendeter teleskopierend verankerter Zahnersatz als ästhetisch anspruchsvolle Rehabilitation beim reduzierten Restgebiß mit einer hohen Erfolgs- und akzeptablen Reparaturwahrscheinlichkeit eingesetzt werden (Abb. 7a-f).

Abb. 7a-f: Frontal- und Okklusalansicht eines Patienten zu Beginn der Behandlung nach alio loco durchgeführtem Behandlungsversuch.

Die Zähne12, 11, 23, 24, 25 und das fistelnde Blattimplantat regio 21 mußten entfernt werden (a, b).

Ansicht der geplanten Versorgung auf Teleskopen 13-15 und Implantaten auf 23-25 (c) und intraorale Ansicht nach Insertion der als Innenteleskopäquivalent fungierenden individuellen Mesostrukturen 23-25 (d).

 

Okklusalansicht der Rehabilitation in der Form eines keramisch verblendeten teleskopierenden Zahnersatzes (e). Frontalansicht. Altersgerechte starke lndividualisierung der Schichtung der Zähne und Rekonstruktion der Gingiva (f).

Oberarzt Prof.

Dr. med. dent. Walter Lückerath

Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik I

(Direktor: Prof Dr B Koeck)

des Zentrums für Zahn-, Mund- und

Kieferheilkunde der Universität Bonn.

 

Akademische Ausbildung und ärztliche Qualifikation:  
1978 Abitur in Düren
1978 - 1983 Studium der Zahnmedizin in Bonn.
1983 Zahnmedizinisches Staatsexamen.
1983 Approbation
1984 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw Assistent am Zentrum für Zahn-, Mund und Kieferheilkunde der Universität Bonn, dort tätig in der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik I sowie in der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik II - Zahnärztliche Propädeutik
1987 Leitung des Bereiches Diagnostik und Therapie funktioneller Störungen
1989 Oberarzt an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik I
Wissenschafllicher Werdegang  
1988 Promotion
1989 Wissenschaftlicher Assistent an der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik I (Direktor: Prof. Dr. L. Hupfauf (emer.), Direktor: Prof. Dr. B. Koeck) Klinischer Oberarzt, Vertreter des Direktors
1992 Habilitation

 

Literatur:

1.Böttger, H : Die prothetische Versorgung des Lückengebisses mit Teleskopprothesen Zahnärztl. Rundschr 62,512 (l953)

2. Böttger, H : Langjährige Erfahrungen mit dem Teleskopsystem und der heutige Stand der Teleskoptechnik Öst. Stomat. 66, 1 62 (1969)

3. Busch.M: Die intermediäre friktive Doppelkrone in der Implantatprothetik In: Bücking, W, Suckert, R (Hrsg): Implantat Prothetik Verlag Neuer Merkur. München 1995

4. Diedrichs, G: Galvanoforming Möglichkeiten und Grenzen Zahnärztl. Welt 105, 21 (1996)

5. Gemet, W, Adam, P, Reither, W Nachuntersuchungen von Teilprothesen mit Konus kronen nach K H Körber Dtsch Zahnärztl Z 38,998 (1983)

6. Hofmann. M : Ästhetische Langzeitwirkung von kunststoffverblendetem Zahnersatz Dtsch. Zahnärztl. Z. 35, 849 (1980)

7. Hofmann, M., Ludwig. P: Die teleskopierende Totalprothese im stark reduzierten Lückengebiß Dtsch. Zahnärztl. Z. 28, 2 (1973)

8. Kerschbaum, Th, Mühlenbein, F : Longitudinale Analyse von herausnehmbarem Zahnersatz privatversicherter Patienten Dtsch. Zahnärztl Z. 42, 352 ( 1987)

9. Körber, K.H.: Konuskronen: Das rationelle Teleskopsystem Einführung in Klinik und Technik 6 Auflage Hüthig, Heidelberg 1988

10. Lehmann, K M, Gente, M: Doppelkronen als Verankerung für herausnehmbaren Zahnersatz Dtsch. Zahnärztekalender 47, 106(1988)

11. Lehmann. K M, Gente. M, Wenz. H J : Konzept zur Versorgung des Lückengebisses mit ,,doppelkronenverankerten" Teilprothesen Teil I Zahnärztl Welt 5, 257 (1996) Teil II Zahnärztl. Welt6.325 (1996)

12. Lückerath, W : Zum Einsatz von Keramikverblendungen beim teleskopierenden Zahnersatz Vortrag, Symposion der DGZPW Gotha 2 5 1997

13. Lückerath. W : Zur Bewährung von keramischen Verblendungen beim teleskopierend abgestützten Zahnersatz Dtsch Zahnärztl Z (angemeldet zur Publikation)

14. Marxkors, R: Die subtotale Teleskop-Prothese im Unterkiefer Quintessenz Zahntech 10, 925 (1984)

15. Möser, M : Verweildauer von Teleskopkronen und prothesen in eine zahnärztliche Praxis Med Diss Köln 1997

16 Rogers, O W. Armstrong, B W : Electroforming a gold matrix for indirect inlays. J. Prosthet. Dent.11,959(1961)